Zeitzeugen

Warum ich 10 Tage im Felsenkeller verbrachte

Mein Elternhaus wurde im Dezember 1944 von einem Fliegerangriff zerstört. Meine Mutter, meine Schwester mit Ihren 3 Kindern waren verschüttet. Wir standen bis zum Bauch in den Trümmern im Dunkeln. Die zweite Welle von Flugzeugen kam und wir konnten nichts machen. Als es dann ruhig wurde hörten wir über uns Stimmen, es waren Feuerwehrleute, die über uns ein Loch bohrten und uns nacheinander ans Tageslicht holten. Zuerst mein Baby, dann die 3 Kinder meiner Schwester, meine Mutter, meine Schwester und zuletzt mich. Wir wurden in der Nachbarschaft untergebracht. Unsere Männer waren im Krieg, mein Vater in der Papierfabrik. Als er heimkam und unser Haus nicht mehr sah, wurde er bleich wie eine Wand. Sein erstes Wort war „Wo sind meine Leute?“

Aschaffenburg nach Fliegerangriff

Aschaffenburg nach Fliegerangriff

Am nächsten Tag wurden wir verteilt und bei Verwandten untergebracht. Ich kam nach Hösbach zu meiner Schwester. Am Palmsonntag schickte meine Mutter einen Mann nach Hösbach, ich soll mit meinem Baby zu ihr kommen, weil Sie alleine war. Wir sollten in den Spessart. Mit Widerwillen ging ich mit meinen weinigen Habseligkeiten zu Ihr.Meinem Vater war es zu unsicher mit dem kleinen Baby. Er ging morgens um 5Uhr, als die Artillerie auf Goldbach schoss mit mir in den Felsenkeller. Ca. 300 Personen rückten zusammen und ich bekam noch ein Plätzchen. Wir saßen beengt Rücken an Rücken, die Kinder auf dem Schoß. Wenn nachts ein Kind schrie fingen mehrere an und die älteren Menschen beschwerten sich, weil Sie nicht schlafen konnten.

Essensrationierung

Essensrationierung

Wenn nachts kein Fliegeralarm war gingen wir jungen Frauen abwechselnd in die Waschküche oder in die Zugänge um auf Decken zu schlafen. Beherzte Männer und Frauen holten manchmal von den umliegenden Gärten Gemüse und kochten Suppe. Ich ging abends, wenn mal Ruhe war über den Geisberg zu meinen Eltern und holte Brot und Dosenwurst für ein par Tage. Von guten Freunden bekam ich einen Karton Babynahrung und Dosenmilch, so dass mein Kind versorgt war. So hielten wir bis Ostersonntag durch. An diesem Tag stand mein Schwager auf der hohen Treppe und fragte nach mir. Ich hatte schon ein ungutes Gefühl und ging bis zur Waschküche. Da brachte er mir schonend bei, dass meine Schwester, bei der ich 5 Monate mit meinem Kind gelebt hatte, mit Ihren 3 Kindern tot sei.

18 Personen waren in dem Keller tot, mit denen ich 5 Monate zusammen war im Keller. Ich hatte das zweite mal Glück, dass meine Mutter mich wieder nach Goldbach geholt hatte. Einige Stunden später kamen etliche in den Keller und schrien, der Krieg ist aus. Für mich brach eine Welt zusammen. Meine Schwester mit 3 Kindern zwischen 5-12 Jahren, mein Schwager und 4 Cousins waren tot.

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